Die Diskussion um den Ausbau der Windenergie ist in vielen Gemeinden präsent – auch hier bei uns. Heute Abend hatten wir in meinem Heimatort eine Bürgerversammlung, bei der es unter anderem um ein geplantes Windrad auf unserer Gemarkung geht. Das Thema polarisiert stark, die Einwohner hatten sehr unterschiedliche Meinungen. Oft tauchen dabei ähnliche Bedenken auf: Lärm, Infraschall, Vogelschlag, sinkende Immobilienwerte oder die Frage, was bei sogenannten Dunkelflauten passiert. Manche Argumente halten einer genaueren Betrachtung jedoch nicht stand. Hier ein Überblick über die wichtigsten Punkte.
Klimawandel und Notwendigkeit der Windkraft
Deutschland hat sich mit dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad, zu begrenzen. Das bedeutet: fossile Energien wie Kohle, Öl und Gas müssen Schritt für Schritt ersetzt werden. Windkraft ist – zusammen mit der Solarenergie – inzwischen die günstigste Energiequelle in Deutschland. Die Kosten pro erzeugter Kilowattstunde liegen deutlich unter denen von neuen Kohle- oder Gaskraftwerken. Ohne einen ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien wird die Energiewende nicht gelingen, und Klimaziele wären unerreichbar.
Kostenvergleich: Windkraft vs. Atomkraft
Häufig wird Atomkraft als klimaneutrale Alternative zur Windkraft dargestellt. Doch ein genauer Blick zeigt deutliche Unterschiede:
- Kosten: Neue Atomkraftwerke gehören zu den teuersten Energiequellen. Studien (z. B. von Agora Energiewende) beziffern die Stromgestehungskosten bei Neubauten auf rund 120–140 Euro pro Megawattstunde. Zum Vergleich: Windkraft an Land liegt heute bei 40–60 Euro pro Megawattstunde, Solarenergie sogar teilweise darunter.
- Bauzeit: Während eine Windkraftanlage in wenigen Monaten errichtet werden kann, dauert der Bau neuer Atomkraftwerke oft 10–15 Jahre. Beispiele aus Frankreich oder Großbritannien zeigen, dass sich viele Projekte massiv verzögern und vor allem auch verteuern.
- Atommüll: Anders als Windkraft erzeugt Atomenergie hochradioaktiven Abfall, der über Hunderttausende von Jahren sicher gelagert werden muss. Bisher gibt es weltweit kein Endlager, das dieses Problem vollständig löst.
- Flexibilität: Atomkraftwerke sind kaum regelbar und deshalb schlecht geeignet, um auf die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien flexibel zu reagieren. Wind- und Solarenergie sind dagegen sehr gut kombinierbar mit Speicherlösungen und flexiblen Gaskraftwerken (perspektivisch mit grünem Wasserstoff).
Atomkraft ist weder kostengünstig noch flexibel und bringt zusätzliche Risiken durch Atommüll. Wind- und Solarenergie sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern inzwischen auch die wirtschaftlichste Lösung.
Lärmbelastung
Eine moderne Windkraftanlage der 8-Megawatt-Klasse verursacht in rund 900 Metern Entfernung einen Schalldruck von etwa 30 bis 40 Dezibel. Zum Vergleich:
- Flüstern: ca. 30 Dezibel
- Blätterrauschen: ca. 35 Dezibel
- normales Gespräch: ca. 60 Dezibel
Die Geräusche der Anlagen bewegen sich also an der Grenze des Wahrnehmbaren und werden in den meisten Situationen durch Umgebungsgeräusche wie Wind, Verkehr oder Tiere überdeckt. Zudem regeln die Vorgaben der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm), dass bestimmte Grenzwerte eingehalten werden müssen. Nur wenn diese Vorgaben erfüllt sind, darf eine Anlage gebaut oder betrieben werden. Die Einhaltung wird regelmäßig überprüft.
Infraschall
Infraschall liegt unterhalb der menschlichen Hörschwelle (unter 20 Hz). Viele Alltagsquellen erzeugen deutlich mehr Infraschall als Windräder:
- Verkehr (Autos, Lkw, Züge)
- Haushaltsgeräte wie Kühlschränke
- natürliche Quellen wie Wind, Meeresbrandung oder sogar das Herzklopfen
Messungen zeigen, dass Infraschall von Windkraftanlagen in 700–900 Metern Entfernung weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt. Das Umweltbundesamt und zahlreiche Studien betonen: Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für gesundheitliche Gefährdungen durch Infraschall von Windkraftanlagen.
Vogelschlag
Der Vogelschlag wird oft als Hauptargument gegen Windkraft genannt. In der Realität sterben Vögel jedoch weit häufiger durch andere Ursachen:
- 120–150 Millionen Vögel pro Jahr durch Hauskatzen
- 100–115 Millionen Vögel durch Kollisionen mit Glasscheiben
- 70–90 Millionen Vögel durch den Straßenverkehr
Zum Vergleich: Windkraftanlagen verursachen weniger als 0,1 Prozent der jährlichen Vogelverluste. Zudem verbessert sich die Situation durch moderne Standortplanung: Brutgebiete werden ausgeschlossen, Flugrouten analysiert, und neue Technologien wie radargestützte Abschaltmechanismen können Anlagen bei Vogeldurchzug automatisch stoppen.
Rotorenabrieb
Rotorblätter bestehen aus Verbundmaterialien, die für Jahrzehnte Haltbarkeit ausgelegt sind. Zwar gibt es Abrieb durch Regen, Hagel und Wind, doch die Mengen sind extrem gering und bewegen sich weit unterhalb jeglicher gesundheitsrelevanter Schwellenwerte.
Zum Vergleich:
- Reifenabrieb verursacht in Deutschland jedes Jahr rund 100.000 Tonnen Mikroplastik.
- Bremsenabrieb und Straßenbelag setzen ebenfalls deutlich mehr Partikel frei.
- Auch bei Alltagsgegenständen wie Schuhsohlen oder Spielzeug entstehen wesentlich höhere Abriebmengen.
Im Vergleich dazu ist der Abrieb von Windkraftrotoren verschwindend gering. Parallel wird an Recyclinglösungen gearbeitet: Erste Anlagen recyceln Rotorblätter bereits, indem sie in Zementwerken oder speziellen Verfahren wiederverwertet werden. Damit wird die Windkraft Schritt für Schritt noch nachhaltiger.
Immobilienwerte
Eine Sorge betrifft mögliche Wertverluste von Immobilien in der Nähe von Windparks. Eine Studie des RWI (2019) zeigt: In unmittelbarer Nähe – unter 1.000 Metern – kann es zu einem Rückgang von etwa 7–9 Prozent kommen. Ab 1.200 Metern Abstand ist kein messbarer Effekt mehr vorhanden. Der Einfluss ist stark vom Standort, der Nachfrage am Immobilienmarkt und der Sichtbarkeit der Anlage abhängig. Gleichzeitig können Beteiligungsmodelle wie das Windbürgergeld oder kommunale Einnahmen durch Windparks den Standort attraktiver machen. Für Gemeinden sind Windkraftanlagen eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle, die langfristig allen zugutekommt.
Dunkelflauten
Als „Dunkelflauten“ bezeichnet man Zeiten, in denen überregional wenig Wind und Sonne vorhanden sind. Sie treten in Deutschland an etwa 15–25 Tagen im Jahr auf, meist im Winter. An den restlichen 340 Tagen liefern Wind- und Solaranlagen zuverlässig Strom. Wichtig ist: Deutschland ist in den europäischen Strommarkt eingebunden. Das bedeutet, wir importieren Strom, wenn er hier knapp ist, und exportieren Überschüsse, wenn wir besonders viel Wind- oder Solarstrom erzeugen. Allein 2023 exportierte Deutschland 13,8 Terawattstunden mehr Strom, als es importierte.
Speicherung von Energie
Oft hört man das Argument: „Windräder bringen nichts, weil man den Strom nicht speichern kann.“ Das ist irreführend. Auch bei konventionellen Kraftwerken wird Strom nicht „auf Vorrat“ gespeichert, sondern bedarfsgerecht eingespeist. Für erneuerbare Energien gibt es verschiedene Speicherlösungen:
- Batteriespeicher, die Lastspitzen abfedern
- Pumpspeicherkraftwerke, die überschüssigen Strom als Wasserenergie speichern
- Power-to-Gas / Wasserstoff, um erneuerbaren Strom langfristig nutzbar zu machen
Zudem sorgt der europäische Verbundmarkt für Ausgleich: Wenn bei uns Flaute herrscht, liefern andere Länder Strom – und umgekehrt. Mit zunehmendem Ausbau von Speichern wird die Versorgung noch stabiler.
Technische Neuerungen bei modernen Windkraftanlagen
Die Windkrafttechnologie hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Moderne Anlagen sind nicht nur leistungsstärker, sondern auch effizienter und leiser. Zu den wichtigsten Neuerungen zählen:
- Größere Rotoren und höhere Türme: Sie ermöglichen die Nutzung schwächerer, aber stetiger Winde in höheren Luftschichten. Dadurch produzieren moderne Anlagen auch bei wenig Wind zuverlässig Strom.
- Optimierte Rotorblätter: Neue Formen und Materialien verringern die Geräuschentwicklung und steigern den Wirkungsgrad.
- Leisere Betriebsmodi: In sensiblen Zeiten (z. B. nachts) können Anlagen automatisch in einen geräuschärmeren Modus wechseln.
- Vogelschutzsysteme: Kameras oder Radarsysteme erkennen Vogelschwärme und schalten die Anlagen bei Bedarf ab.
- Digitale Steuerung: Moderne Windräder sind vernetzt und passen ihre Leistung in Echtzeit an. So wird das Stromnetz stabilisiert und Schwankungen werden ausgeglichen.
- Recyclingfähige Rotorblätter: Erste Hersteller bringen vollständig recycelbare Rotorblätter auf den Markt, sodass das Material nach Ende der Lebensdauer wiederverwertet werden kann.
Diese Innovationen zeigen: Windkraftanlagen werden nicht nur leistungsfähiger, sondern auch umweltfreundlicher und anwohnerfreundlicher.
Fazit
Windkraftanlagen sind eine der saubersten, sichersten und kostengünstigsten Energiequellen. Viele Sorgen, die in der Diskussion auftauchen, sind überzeichnet oder wissenschaftlich nicht haltbar. Mit moderner Technik, sorgfältiger Standortplanung und fairer Bürgerbeteiligung lassen sich mögliche Belastungen minimieren. Die Vorteile überwiegen bei weitem – nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Unabhängigkeit von fossilen Energien und die Wertschöpfung in unseren Gemeinden.
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